Wickelintervall

Wickelintervalle verstehen: Die Balance zwischen Praktikabilität und kindlicher Entwicklung

Viele unserer Beiträge beziehen sich auf das Saugvolumen von Windeln. Dieses muss besonders hoch sein, damit die Windel lange hält. Mit Stoffwindeln haben wir schier unendliche Möglichkeiten eine Windel zu boosten – das Intervall zu verlängern. Doch wie lange sollte eine Windel eigentlich halten und welchen Einfluss hat das Wickelintervall aufs Kind und seine Ausscheidungswahrnehmung?

Eine Windel, die ein hohes Saugvolumen hat und vier bis fünf Stunden am Kind hält ist manchmal total praktisch, keine Frage. Sie hilft uns z. B. einen langen Ausflug zu überbrücken, bei dem es unterwegs keine adäquate Wickelmöglichkeit gibt. Sie kann uns in anstrengenden Phasen auch helfen, einfach kurz durch zu atmen und nicht permanent ans Wickeln denken zu müssen.

Was es aber nicht sein sollte: Eine alltägliche Vermeidungsstrategie. Wickeln ist ein elementarer Baustein in der Beziehungspflege und der Selbstwahrnehmung des Kindes.

Wickelintervall mit Stoffwindeln

Die richtige Wickelfrequenz finden

Eine gute Richtschnur sind circa alle 2 Stunden, oder aber nach dem zweiten bis dritten Pipi. Das Kind sollte nicht allzu lange in einer nassen Windel sitzen. Nässe ist kein normales Gefühl für das Baby. StayDry Liner sind leider auch keine generelle Lösung, da die Ausscheidung hiermit weniger wahrgenommen werden kann.

Was lernt das Kind bei einem regelmäßigen, auf das Kind eingehenden Wickelintervall?

  • Nässe-Feedback: Wenn ich Pipi mache, werde ich nass.
  • Wickel-Kommunikation: Wenn ich Pipi gemacht habe und es nass ist, werde ich gewickelt. Nässe ist nicht der Normalzustand.
  • Bindung durch Wickeln: Wickeln soll kein ’schnell schnell‘ und vor allem kein Kampf gegen das Kind sein, sondern eine gemeinsame, liebevolle Routine. Kommunikation und Achtsamkeit sind hier die Schlüsselwörter.

Was kann aber passieren, wenn wir ein Kind dauerhaft in einer nassen Windel lassen? Es wird immer wiederholt ein bisschen Pipi machen statt im Schwall. Das Kind hält den Urin also nicht an – eine körperliche Notwendigkeit, aber auch eine wichtige Voraussetzung auch fürs spätere Trocken werden.

Den Rhythmus des Kindes erkennen

Woher weiß ich aber, wann bzw. wie oft mein Kind Pipi macht? Versuch es mit Windelfrei! Zuhause kann man das Baby wunderbar eine Zeit lang ohne Windel lassen und sehen, wie oft das Kind uriniert. Hierfür gibt es auch praktische Krabbel/Wickeldecken. Oder man nimmt einfach alte Handtücher.

Dieser Tipp ist bis zum Ende der Wickelzeit immer mal wichtig, denn das Ausscheidungsverhalten verändert sich zwar ständig, hat aber über gewisse Phasen durchaus Routine. Beispielsweise kommt während der Beobachtung manchmal über eine Stunde lang gar nichts – man findet also ohne Windel einfach viel besser in den Rhythmus des Kindes hinein. Man erkennt auch prima, ob das Kind einfach im Schwall drauf los pinkelt oder vorher eindeutige Signale sendet (Stichwort: Abhalten).

Lege ich die Windel nach dem Urinieren an, weiß ich auch ziemlich zuverlässig, dass das nächste Pipi in etwa einer Stunde kommen könnte. Je älter das Kind, desto bewusster und länger kann dieses Intervall werden.

Windelkomfort vs. Saugvolumen

Ein weiterer wichtiger Punkt ist die Größe des Windelpakets. Eine Windel mit einer dünnen Einlage oder Mullwindel, die ‚nur‘ zwei mal Pipi aushalten muss, ist deutlich dünner als ein Paket aus Mullwindel und Booster, welches 4-6 Stunden halten soll. Auch wenn große Windelpakete keine Schäden anrichten, so ist ein kleines Paket flexibler, weicher und schränkt bei Bewegungen weniger ein. Einige Kinder sind mit schmaleren Paketen auch deutlich zufriedener.

Wickelstreiks konstruktiv begegnen

Zu guter Letzt sollten schwierige Wickelphasen (‚Streiks‘) nicht dazu führen, das Wickeln so lange wie möglich heraus zu zögern. Diese Zeit verlangt oftmals viel ab, bringt uns aber dem Kind auch näher: Was braucht mein Kind? Kann ich zum Beispiel einfach (je nach Entwicklungsstand) nicht im Liegen wickeln sondern im Stehen oder im Krabbeln? Wie kommunizieren wir dabei mit dem Kind?

Streiks setzten sich vor allem dann fest, wenn wir als Eltern nicht mit dem Entwicklungsstand des Kindes gehen. Viele Kinder wollen irgendwann nicht mehr passiv auf dem Rücken liegend gewickelt werden. Das Kind möchte von Anfang an in den Wickelablauf eingebunden werden, in seinen Möglichkeiten. Ob das Anfangs einfach eine begleitende, warme Stimme ist, die das Kind auf Bewegungen aufmerksam macht oder später die Mitentscheidung bei der Windelauswahl ist.

Ergänzende Aspekte zum Wickelintervall

Tageszeiten und individueller Rhythmus

Das Ausscheidungsverhalten von Babys und Kleinkindern folgt oft einem bestimmten Muster im Tagesverlauf. Viele Kinder urinieren beispielsweise kurz nach dem Aufwachen besonders viel, während andere nach dem Trinken oder vor dem Schlafengehen verstärkt Pipi machen. Diesen natürlichen Rhythmus zu beobachten und zu dokumentieren, hilft dir dabei, die Wickelintervalle optimal an dein Kind anzupassen.

Ein Wickeltagebuch kann in den ersten Wochen hilfreich sein, um Muster zu erkennen. Notiere dir über einige Tage, wann dein Kind ausscheidet und in welchen Mengen. Diese Beobachtungen können dir helfen, das Wickelintervall besser auf den individuellen Rhythmus deines Kindes abzustimmen.

Nachtwickeln – besondere Herausforderung

In der Nacht gelten andere Regeln als tagsüber. Während es sinnvoll ist, dein Kind tagsüber regelmäßig zu wickeln, ist es nachts oft besser, den Schlaf nicht zu unterbrechen. Hier sind Windeln mit hohem Saugvolumen durchaus sinnvoll, um deinem Kind und dir eine ruhige Nacht zu ermöglichen.

Achte jedoch darauf, dass du morgens zeitnah nach dem Aufwachen wickelst, um die Zeit in einer nassen Windel nicht unnötig zu verlängern. Bei empfindlicher Haut oder Neigung zu Windeldermatitis kann es dennoch notwendig sein, auch nachts zu wickeln – besonders nach Stuhlgang.

Der Einfluss von Ernährung und Flüssigkeitsaufnahme

Die Ernährung und Flüssigkeitsaufnahme haben direkten Einfluss auf das Ausscheidungsverhalten deines Kindes. Gestillte Babys urinieren in der Regel häufiger als Babys, die mit Flaschennahrung gefüttert werden. Mit zunehmender Beikost verändert sich das Ausscheidungsverhalten erneut.

An heißen Tagen oder bei Fieber, wenn dein Kind mehr trinkt, wird es auch häufiger und eventuell in größeren Mengen urinieren. Passe die Wickelintervalle entsprechend an und achte besonders in solchen Situationen auf regelmäßiges Wickeln, um Hautirritationen zu vermeiden.

Hautgesundheit als Indikator

Ein wichtiger Faktor bei der Bestimmung des optimalen Wickelintervalls ist die Hautgesundheit deines Kindes. Rötungen, Ausschlag oder wunde Stellen können Hinweise darauf sein, dass das Kind zu lange in einer nassen Windel verbleibt. Die Haut jedes Kindes reagiert unterschiedlich auf Nässe und die Inhaltsstoffe von Ausscheidungen.

Wenn du bemerkst, dass die Haut deines Kindes empfindlich reagiert, verkürze die Wickelintervalle und achte auf gründliche Reinigung und Pflege. Luftbäder, bei denen du dein Kind für einige Zeit ohne Windel lässt, können ebenfalls zur Hautgesundheit beitragen.

Die Rolle von Stoffwindeln bei der Wahrnehmungsförderung

Stoffwindeln bieten gegenüber Wegwerfwindeln einige Vorteile in Bezug auf die Ausscheidungswahrnehmung. Im Gegensatz zu hochabsorbierenden Einwegwindeln mit StayDry-Effekt ermöglichen Stoffwindeln dem Kind eher, Nässe zu spüren. Dies kann die Körperwahrnehmung fördern und den späteren Prozess des Trockenwerdens unterstützen.

Die Wahl zwischen verschiedenen Stoffwindelsystemen kann Einfluss auf das Wickelintervall haben. Während All-in-One-Systeme oder Pocketwindeln oft ein höheres Saugvolumen bieten, ermöglichen Überhosen mit separaten Einlagen ein schnelleres Wechseln bei Nässe, ohne die gesamte Windel austauschen zu müssen.

Wickeln als kommunikativer Prozess

Je älter dein Kind wird, desto mehr kann es aktiv am Wickelprozess teilnehmen. Ab etwa sechs Monaten beginnen viele Kinder, Interesse am Wickelvorgang zu entwickeln. Nutze diese natürliche Neugier, um einen kommunikativen Prozess zu etablieren.

Erkläre deinem Kind, was du tust, und beziehe es altersgerecht ein. Bei älteren Kleinkindern kannst du auch über Ausscheidungen sprechen und ihnen so helfen, ihren Körper besser zu verstehen. Diese Kommunikation schafft Vertrauen und kann dazu beitragen, dass Wickelstreiks seltener auftreten oder leichter überwunden werden können.

Der Übergang zum Töpfchen

Die regelmäßigen Wickelintervalle und die damit verbundene Ausscheidungswahrnehmung bilden eine wichtige Grundlage für den späteren Übergang zum Töpfchen. Kinder, die gelernt haben, ihre Ausscheidungen wahrzunehmen und zu kommunizieren, finden oft leichter Zugang zum Trockenwerden.

Bereits während der Wickelzeit kannst du behutsam mit der Töpfchengewöhnung beginnen, indem du dein Kind nach dem Aufwachen oder zu anderen typischen „Pipi-Zeiten“ auf das Töpfchen setzt – ohne Druck oder Erwartungen. Diese spielerische Annäherung kann den späteren vollständigen Übergang erleichtern.

Fazit

Wickeln ist kein notwendiges Übel, wickeln ist Liebe.

Die richtige Balance zwischen praktikablen Wickelintervallen und der Förderung der kindlichen Ausscheidungswahrnehmung zu finden, ist eine individuelle Reise für jede Familie. Beobachte dein Kind, passe dich seinen Bedürfnissen an und nutze die Wickelzeit als wertvolle Gelegenheit zur Bindung und Kommunikation.

Respektiere, dass jedes Kind seinen eigenen Rhythmus hat und dass dieser sich im Laufe der Entwicklung verändert. Mit Achtsamkeit, Geduld und Liebe wird das Wickeln zu einer bereichernden Erfahrung für dich und dein Kind – und legt gleichzeitig wichtige Grundsteine für die spätere Sauberkeitsentwicklung.

Julia
Author: Julia

Diesen Artikel schrieb für dich Julia, 34, Mama eines Sohnes seit Februar 2016. Sie wickelt von Geburt an mit Stoffwindeln und hat diesen Blog im Juli 2016 gegründet. Ihr liegt das Wickeln mit Naturmaterialien und eine naturnahe, bedürfnisorientierte Säuglingspflege besonders am Herzen.