Dieses Thema geht uns alle an. Egal, ob Stoffwickler oder nicht: Der Kontakt mit Fäkalien ist wirklich unvermeidbar – wir säubern Töpfchen und Po auch noch eine recht lange Zeit nach den Windeln. Und es gibt einige Tipps und Tricks, sich diese Situation etwas angenehmer zu machen. Dieser Artikel bietet einen Überblick über den Sinn von Ekel, den bedürfnisorienterten Dialog sowie den besten Tippss im Umgang mit den eigenen Einstellungen.

Stoffwindeln sind ekliger als Wegwerfwindeln?!

Oft wird angemerkt, dass man mit Stoffwindeln mehr Berührung zu diesem oft unbeliebten Thema hat.
Diese Behauptung ist nicht ganz richtig, denn:
  • Explosionen aus der Windel über den Rücken hinaus sind durch die Rückengummis sehr unwahrscheinlich
  • durch das Nässefeedback von Stoffwindeln lässt sich leichter abhalten
  • die Stoffwindel ist keine Toilette sondern ein Hilfsmittel, bis das Kind bereit fürs Klo ist
  • Saugmaterial, Windelart und Größe sind individuell anpassbar, Unfälle somit unwahrscheinlicher

Was bleibt, ist die Reinigung der Stoffwindeln nach dem Kontakt mit Stuhl. Und auch hier lernt man mit der Zeit seine Lieblings-Tricks. Zum Beispiel: Windelvlies*; das richtige Falten der Einlage beziehungsweise die beste Falttechnik für die eigenen Bedürfnisse; mit einem alten Schaber/Löffel über die Windel und ab runter damit in die Kanalisation; Podusche* als Windel- und Töpfchenreiniger ist ebenfalls sehr zu empfehlen. Der starke Strahl reinigt die Windel innerhalb von Sekunden. Im Blogartikel von Windelwissen findet man noch mehr Inspiration und Tricks zur Entfernung von Stuhl.

Aber steigen wir etwas tiefer ein: Woher kommt überhaupt dieser Ekel und ist er nicht ganz natürlich?

Schutzmechanismus

Ekel ist eine Schutzreaktion, die aber sogar soweit gehen kann, dass man körperliche Symptome wie Übelkeit, Würgereflex oder Ohnmacht erfährt. Die Fähigkeit sich zu ekeln, ist angeboren, genauso wie der damit verbundene Würgereflex. Charles Darwin, ein Meister der Grundlagenforschung der Gesichtsausdrücke für Mensch und Tier, arbeitete eine universelle Sprache des Ekels heraus: Nase rümpfen, Oberlippe hochziehen, Mundwinkel gehen nach unten. Dabei geht es aber um mehr, als nur dem Ekelgefühl einen Ausdruck zu verleihen: Es geht um Kommunikation!
Der Ekel-Gesichtsausdruck soll andere vor Gefahren warnen. Vor einer potenziellen Infektion oder Gift. Ein lebenswichtiger Mechanismus, den man sicher nicht generell abtrainieren sollte.
In Bezug auf die Ausscheidungen von Kindern und der Wickelsituation ist es dennoch sinnvoll, sich mit der Botschaft auseinanderzusetzen, die wir unseren Kindern senden. Unsere Reaktionen beim Wickeln haben wir ebenso unbewusst als Babys übernommen. Wieviel von unserer Reaktion ist wirklich angebracht? Was muss und will ich in der Wickelsituation an mein Kind weitergeben?
Foto: Fee Ronja Schineis

Was ist Schutz und was Konditionierung?

Sich vor den Ausscheidungen anderer Kinder mehr zu ekeln als vor den eigenen, ist ganz normal. Eine Studie zu dem Thema der London School of Hygiene and Tropical Medicine hat ergeben, dass dieses Phänomen mit dem höheren Infketionsrisiko fremder Keime in Verbindung steht.
Babys ekeln sich nicht von Geburt an vor Kot, dieses Verhalten setzt kulturell geprägt erst mit circa zwei bis drei Jahren ein.
Wir sind also durchaus dazu fähig, Ekel an- oder abzutrainieren. In Bezug auf das Wickeln von Kindern (aber auch anderen Personen, die unserer Hilfe bedürfen) ergeben sich auf psychologischer Ebene zwei wichtige Punkte:
1. Zukünftige Eigenwahrnehmung des Kindes wird beeinflusst
Ekeln sich Eltern oder pflegende Personen vor Ausscheidungen, spiegelt sich in deren Gesicht Gefahr wider: Hier stimmt etwas nicht, hier muss man sich abwenden, hier ist die Gesundheit bedroht. Gesichtsausdruck und Tonfall transportieren Emotionen, die schon Neugeborene wahrnehmen können.
Das kann bei der gewickelten Person den Eindruck erwecken, dass der ganze Wickelvorgang, ihre Intimzone sowie ihr Ausscheidungsbedürfnis etwas Abzulehnendes sind. Das Annehmen der natürlichen Körperfunktionen kann erschwert werden. Kinder übernehmen Scham und Unwohlsein. So möchten auch sie mit der Thematik nichts zu tun haben. Probleme beim trocken werden oder sogar mangelnde Selbstliebe im Erwachsenenalter können sich hier schon manifestieren. Das Kind unterscheidet nicht zwischen seinen Fäkalien, dem Wickelvorgang und sich selbst!
Foto: Fee Ronja Schineis
2. Sprache/Vorbild/Weitergabe
Auch Benennungen im allgemeinen Sprachgebrauch wie: Boah, das stinkt! Bäh! Stinkepo! Igitt! Widerlich! Gesicht angeekelt verzerren! Schnell und unliebsam reinigen! Speckbeine! Stinkepups! Schnecke! Mumu! Pipimann! Das stinkt; Stinker; Hosenscheißer; Ohje;
lehren dem Kind (wenn auch von den Erwachsenen unbewusst verwendet) Scham, Unwohlsein, dass etwas stimmt damit nicht. Oder man muss es verniedlichen, um es auszuhalten.
Foto: Severine Wahl

Aber “darf” man dann gar nicht mehr sagen/zeigen, dass man Ekel oder Abneigung spürt?

Natürlich darf jeder seine Worte selbst wählen. Es gibt jedoch ein paar gute Gründe, über die eigenen Botschaften der Sprache nachzudenken.
Die Absicht und das Gefühl hinter der Sprache entscheiden!
So liegt ein fundamentaler Unterschied zwischen: “Puh, das stinkt aber” und “Du hast gerade Kacka gemacht, ich rieche das”
Statt Ablehnung ist es besser, annehmen zu transportieren und einfach den Zustand knapp zu beschreiben: Die Genitalien, den Wickelvorgang, die Ausscheidungen usw. anders zu benennen, kann sehr hilfreich sein.
Beispiele: Vulva, Penis, Stuhl, Kacka … hier sollte jeder seine eigene, angenehme, schambefreite Sprache finden. Ich möchte an dieser Stelle keine Empfehlungen aussprechen.
Eine weitere wundervolle Methode, von Beginn an bewusst mit seinem Kind zu kommunizieren, ist es, Gebärden in die gemeinsame Kommunikation einzubinden. Handbewegungen helfen uns allen, etwas schneller zu verstehen. Dies trifft sowohl auf unser Kind, als auch auf uns selbst zu. Was geschieht, wenn wir uns verstanden fühlen? Es entstehen Nähe und Bindung. Die gemeinsame Pflegezeit beim Wickeln kann man nicht nur mit gesprochenen Worten sondern ergänzend wunderbar mit Gebärden für zum Beispiel WICKELN, PIPI, KACKA, TOILETTE, TÖPFCHEN, WASCHEN und BADEN begleiten. Dies macht uns achtsamer in unserer Kommunikation und Kinder erfahren eine Möglichkeit sich mitzuteilen, noch bevor ihre (u.a. feinmotorische) Entwicklung dazu bereit ist gesprochene Worte zu bilden. So lassen sich Bedürfnisse wir PIPI, ESSEN oder TRINKEN und auch Beobachtungen wie VOGEL oder BALL ganz einfach mit den Händen ausdrücken. Wer tiefer in dieses Thema einsteigen möchte, kann sich zum Beispiel bei www.babysignal.de / Instagram und bei Julia Rose, babySignal Kursleiterin weiterbilden.

Die konkreten Tipps auf einen Blick:

Foto: Fee Ronja Schineis

Quellen:

  • Studie über Ekel:  https://royalsocietypublishing.org/doi/10.1098/rstb.2017.0208
  • Ekel und Emotion: https://www.planet-wissen.de/gesellschaft/psychologie/emotionen_wegweiser_durchs_leben/pwieekelwennabneigungextremwird100.html#Ekel_gelernt
  • Krankhafte Angst vor Exkrementen: https://www.angst-verstehen.de/koprophobie-coprophobie-kotphobie/
  • Wickelsituation: https://liane-emmersberger.org/
  • Darwins Emotionstheorie: https://link.springer.com/chapter/10.1007%2F978-3-531-93439-6_11
  • Blogartikel Windelwissen zum Thema Stuhl aus der Windel entfernen: https://windelwissen.de/blogs/waschen/stuhlgang-in-stoffwindeln-grosses-geschaeft-entfernen
  • Entwicklungspsychologie: https://link.springer.com/book/10.1007/978-3-642-03936-2
  • Beziehung von Beginn an: https://www.zeitakademie.de/wp-content/uploads/2019/05/Entwicklungspsychologie-150dpi-Leseprobe.pdf
  • Eltern-Kind-Interaktionen: https://link.springer.com/chapter/10.1007%2F978-3-531-18944-4_55
  • Forschung Gebärden: https://www.babysignal.de/12-0-Forschung-babysigning.html

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